Die Dialektik der gesellschaftlichen Praxis

In diesem hervorragenden Werk gelingt es Wolfdietrich Schmied-Kowarzik den wissenschaftlichen Blick auf den Philosophen Karl Marx zu lenken. Das Wesen seiner Analyse liegt in der Offenlegung der dialektischen Erkenntnismethode, die Marx in verschiedenen Bereichen gesellschaftlicher Entwicklung anwendet. Er gibt ihm sozusagen seine philosophische Würde zurück – auch in dem er zeigt, dass der „junge Marx“ nicht vom „alten“ zu trennen ist, insofern als die Frühschriften und das Spätwerk aufeinander bezogen werden müssen. Es gilt sich philosophisch dem Werk von Karl Marx zu nähern, damit er für die Analyse gesellschaftlicher Prozesse wieder fruchtbar wird. In diesem Sinne begründet sich humanistisch-emanzipatorische Philosophie aus der Praxis und wirkt in dialektischer Weise auf diese zurück. Wir leben im Zeitalter der Menschheit, in der die dialektische Analyse gesellschaftlicher Prozesse zur Notwendigkeit für die Entwicklung einer Praxis für Emanzipation wird.

Die Marxsche Theorie als praxisphilosophische Kritik beleuchtet die Kernstruktur der Dialektik der gesellschaftlichen Praxis in ihrem Doppelcharakter zu Übergreifen und Übergriffen zu werden. Um eine Produktionsweise zu verstehen muss man ihre besondere Dialektik zwischen Produktion und Reproduktion mit Hilfe der dialektischen Analyse verstehen. Deswegen hat sich Marx intensiv mit dem Verständnis des Kapital befasst.

„Denn ohne Zweifel ist die kritische Analyse der kapitalistischen Ökonomie von Marx immer noch die treffendste Kritik der wertgetriebenen globalen Expansion des Kapitalismus … Aber ohne die Klärung ihrer philosophischen Grundlagen ist die Marxsche Theorie weder zu wiederlegen noch zu begründen, daher ist es bis heute für beide Seiten am bequemsten, die Marxsche Theorie jenseits der Philosophie anzusiedeln, so kann man sie verwerfen ohne sie zur Kenntnis zu nehmen, oder man kann an sie glauben ohne sie begründen zu müssen.“

(Schmied-Kowarzk 2018:15f)

Es gilt also die Marxsche Theorie in doppelter Hinsicht zu befreien: Von der nicht dialektischen Betrachtung seines Werks, von der dogmatischen Eindampfung von Gesetzmäßigkeiten, die den Blick auf widersprüchliche Entwicklungen z.B. im real existierenden Sozialismus des letzten Jahrhunderts verstellt und zu ideologischen Verkehrungen führt. Und es gilt die Marxsche Theorie auf die aktuelle gesellschaftliche Praxis anzuwenden, eine emanzipatorisch wirkende Praxis auf der Grundlage der dialektischen Erkenntnisweise zu entwickeln und in verschiedene Forschungsfelder einfließen zu lassen. Karl Marx hat dies getan. Er hat sich gegen Dogmatismus gewehrt und er hat die dialektische Erkenntnismethode auf verschiedene Tätigkeitsfelder der gesellschaftlichen Praxis angewendet. Er war sehr klar: Die Philosophie habe sich in der Praxis aufzuheben.

Der Blick auf Karl Marx als Philosophen der menschlichen Emanzipation ist in diesen restaurativen Denk-Zeiten außergewöhnlich und wohltuend.

Die Dialektik der gesellschaftlichen Praxis

Wolfdietrich Schmied-Kowarzik
Verlag Karl Alber 2018 (Erstauflage 1981)

dialektik der gesellschaftlichen praxis