Die Vielfalt der Kulturen und die Verantwortung für die eine Menschheit

In diesem Buch widmet sich Wolfdietrich Schmied-Kowarzik philosophischen Reflexionen zur Kulturanthropologie und der interkulturellen Philosophie. Es beinhaltet eine Auswahl an grundlagentheoretischen Arbeiten, die zwischen 1966 und 2016 erschienen sind. Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Denkströmen der Ethnologie im 20. Jahrhundert zeigen die Interessengebundenheit der Entwicklungen wissenschaftlicher Disziplinen und ihren kultur-historischen verorteten Blick auf Geschichte und „andere Völker“. Diese Diskussion ist brisant und verlangt nach wissenschaftlicher Fundierung. Diese beginnt mit einer philosophischen Einordnung:

„Alle Wissenschaften sind einst aus der Philosophie hervorgegangen. Einige behalten ihre Herkunft in Erinnerung und pflegen auch heute noch fruchtbare Austauschbeziehungen zu ihr. Andere sind stolz auf ihre Abnabelung und haben zur Philosophie jeglichen Kontakt abgebrochen. Sie bemerken jedoch nicht, dass sie damit auch das freie kritische Denken aus sich verbannt haben. Sie erfüllen in methodologischer Gewissenhaftigkeit ihre alltagspragmatischen Aufgabenstellungen, sammeln Daten, berechnen Korrelationen und stellen Resultate zur Verfügung. Darüber nachzudenken, was sie da sammeln, was sie mit ihren Berechnungen tun und aus ihren Resultaten wird, verbieten sie sich, weil es sich um „unwissenschaftliche“, sie übersteigende Fragestellungen handelt.. Sie begnügen sich mit dem Glauben an die Objektivität ihres Wissens. Ein Zweifel, ob das Wissen ihres Wissens überhaupt objektiv sein könne, ist ihnen noch nie gekommen.“ (Schmied-Kowarzik 2017:19)

Es gilt eine Entwicklung der Kulturwissenschaften in neuer Qualität zu begründen, die sich ihrer kultur-historischen Perspektive für eine emanzipatorisch-humanistische Entwicklung der einen Menschheit bewusst ist. Der Autor nimmt uns mit auf eine Zeitreise und setzt sich kritisch mit der Entwicklungsgeschichte der Kulturwissenschaften auseinander. So wirft er z.B. einen Blick auf die bedeutsamen grundlegenden kulturphilosophischen Arbeiten von Ernst Cassierer, der sich intensiv mit Humboldt und Shelling befasst hat (1923-1929; 1942; 1944).

„Die deutsche Barbarei in der Zeit des Nationalsozialismus hat diesen hoffnungsvollsten Ansatz philosophischer Grundlegung der Human- und Kulturwissenschaften bei uns zum Schweigen gebracht und ins Vergessen abgedrängt, nur so ist die anhaltende Dürftigkeit philosophisch-kulturanthropologischer Diskussion im deutschen Sprachraum erklärlich.“ (ebd. 82)

Eine  begreifende Kulturwissenschaft reflektiert die Methodologie ihrer Erkenntnisweise. Forschungsgegenstand und Forschungsfrage dienen in diesem Sinne der Erkenntnis des Universellen im Menschsein und die darin enthaltene Mannigfaltigkeit, die Vielheit der Kulturen. Das verstehende Subjekt ist gefragt auf diesem sensiblen Weg für Emanzipation, für die humane Bildung des Bewusstseins des Menschen in der einen Menschheit und damit der Bildung der Menschlichkeit.

Die Vielfalt der Kulturen und die Verantwortung für die eine Menschheit

Wolfdietrich Schmied-Kowarzik
Verlag Karl Alber

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