Mohamed Turki zeigt das unwissenschaftliche Bild des Islam in herrschenden Diskursen und eröffnet – gerade dem europäischen Leser – einen differnzierenden Blick auf das dialektische Verhältnis von „Glaube“ und „Vernunft“ und ihrer Beziehung zur Aufklärung in aktuellen Debatten. Er skiziert die verschiedenen Deutungen von „Rationalität“ und macht große philosophische Denker wie z.B. Mohammad Iqubal oder Mohammed Abed-al Jabri bekannt.
„Die ersten Spuren der Rationalität im arabisch-islamischen Denken lassen sich bis zu den ersten Quellen des Islam verfolgen, nämlich zum Koran, wo die Aufforderung, sich rational mit den Phänomenen der Schöpfung und Natur auseinanderzusetzen, ausdrücklich betont wird. Der im 12. Jahrhundert lebende bekannte Philosoph und islamische Gelehrte Ibn Rushd (1124 – 1198), im Westen unter dem Namen Avarroes bekannt, weist in seiner Schrift Die entscheidende Abhandlung … mit Bezug auf mehrere Verse des Koran auf diese imperative Forderung hin, sich seines Verstandes zu bedienen.“ (2022:10)
Die Frage nach der arabischen Vernunft versus der westlichen Vernunft wird eindrucksvoll gestellt – mit all ihren Konsequenzen für die aktuell geführten Debatten. Welche Vernunft setzt sich wann, wo und in welchem Interesse durch? Wie wird sie durchgesetzt? Zu Wort kommt insbesondere der 2010 verstorbene algerische Philosoph Mohammed Arkoun, der an der Sorbonne für islamische und Ideengeschichte lehrte, der von hegemonialer Vernunft in der Gegenwart sprach.